Veranstaltung: | LDV in Idar-Oberstein |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 5. Wahlen Landesvorstand |
Antragsteller*in: | Lukas Hartmann (KV Landau) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.11.2016, 14:59 |
LaVo-07: Lukas Hartmann (KV Landau)
Position oder Listenplatz
erweiterter Landesvorstand
Selbstvorstellung
Liebe Freundinnen und Freunde,
unsere Gegenwart ist geprägt von Ungleichzeitigkeit. Dass es zur gleichen Zeit im gleichen Land sowohl Berlin-Kreuzberg als auch Vorpommern, zugleich Trier wie auch Ludwigshafen gibt, stellt uns als Partei vor eine Herausforderung. Auf der einen Seite sehen wir vielleicht Väter in Elternzeit mit ihren spielenden Kindern mit und ohne Migrationshintergrund auf Parkbänken, die sich über das beste pädagogische Konzept aus dem vielfältigen Angebot ihrer Stadt unterhalten, ehe sie in einem Unverpackt-Laden einkaufen gehen. Auf der Anderen Arbeitssuchende aus einer schrumpfenden Region mit Demografieproblemen an einem Stammtisch, die sich um das Verschwinden der Ärzte und Bäcker sowie die drohende Schließung der Grundschule sorgen und ablehnend über Geflüchtete sprechen. Während uns die erste Seite als Grüne gut gefällt, weil es unserem Ideal einer modernen Gesellschaft nahekommt, so gibt es eben auch das Andere. Doch wenn wir als Partei so sprechen, handeln und nur solches Personal anbieten, sodass erstere Menschen erreicht werden können, letztere aber nicht, dann werden wir scheitern. Am 13. März dieses Jahres sind wir in Rheinland-Pfalz beinahe gescheitert. Damit das nicht noch einmal geschieht, kann nicht alles so bleiben, wie es ist.
Als Bündnis 90/Die Grünen haben wir mit den Themen Energie- und Verkehrswende sowie Klimaschutz Felder, die in beiden Sphären unserer ungleichzeitigen Republik liegen. Wir tun uns und unseren Zielen einer progressiven, ökologischen, inklusiven und gerechten Gesellschaft keinen Gefallen, wenn wir für uns in Anspruch nehmen, als Einzige Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu haben, als Einzige sich um die Natur, globale und Generationen übergreifende Gerechtigkeit und Integration kümmern zu wollen oder indem wir reale Probleme klein reden, weil sie nicht in unser Weltbild passen. Ich will nicht, dass wir unsere zentralen inhaltlichen Positionen verändern, die uns als Partei so entscheidend ausmachen. Ich möchte, dass wir unseren Sound verändern.
Unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit unterscheiden sich unter anderem deshalb von denen anderer Parteien, weil wir in unsere Betrachtung zukünftig existierende Menschen stark mitdenken und wir nationale Grenzen als Hindernisse für Gerechtigkeit nicht gelten lassen. Doch das führt nicht dazu, dass wir „Die Gerechtigkeitspartei“ sind oder konkurrierenden Parteien Gerechtigkeit egal sei. Respektvoll mit diesen Unterschieden umzugehen, mit unseren Argumenten in gesellschaftliche Diskurse zu gehen – so werden wir mehr Menschen erreichen, als wenn wir uns mit Schlagworten und Selbstzuschreibungen abmühen. So wünsche ich mir meine Partei.
Ich wünsche mir auch, dass wir das Politische politisch klären – und den Lifestyle den Menschen selbst überlassen. Der Veggie Day war nicht deshalb ein Fehler, weil die Reduktion des Fleischkonsums nicht richtig wäre. Das Klima, die Gesundheit unserer Bevölkerung und nicht zuletzt die Leidensfähigkeit der Tiere mahnen das an. Er war ein Fehler, weil wir bestimmen wollten, wie Menschen ihr Leben leben. Eine ökologische Mehrwertsteuerreform, die Fleisch stärker besteuert, Haltungsbedingungen, Kennzeichnungspflichten, pflanzliche Alternativen in Kantinen – das sind politische Themen, die wir politisch klären sollten.
Ähnlich liegt es im Feld der Bildung. Als jemand, der von einer umgewandelten Hauptschule nach der zehnten Klasse über das Gymnasium zum Studium kam, halte ich viel von einer Schule für Alle. Aber es gibt Eltern, die ihre Kinder mit Handicap nicht in inklusive Schulen schicken wollen. Und es gibt Gymnasien mit spezifischen inhaltlichen Ausrichtungen und stärker auf ein Studium vorbereitenden Strukturen, die von einigen Schülern mit passenden Interessen gern besucht werden. Dass das Elternhaus über die Bildungschancen der Kinder entscheidet, müssen wir beenden. Aber ob es dafür nötig ist, uns auf eine Schulart zu reduzieren, bezweifle ich.
Ob und wann die Menschen Fleisch essen, welche Schulart sie besuchen wollen, wen sie heiraten möchten – das sollte in einer liberalen Demokratie ihre freie Entscheidung sein und bleiben. Auch und gerade wenn Grüne regieren.
2015 beschlossen wir auf dem Kleinen Parteitag eine unmissverständliche Position zur Ablehnung weiterer sicherer Herkunftsländer. Wir hatten für diese Haltung gute Argumente auf unserer Seite. Doch als wir das Asylpaket I mittrugen, ignorierte der damalige Landesvorstand unseren Beschluss. Nicht ohne gute Gründe, denn die Aufstockungen beim BAMF, zusätzliche Milliarden für die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und die Kopfpauschale von 670 Euro im Monat brachten dringend benötigte Entlastungen. Außerdem konnten wir viele Pläne von Union und SPD durch unsere Zustimmung entschärfen.
Doch entweder hätte man die Position der Partei hochhalten und eine Zustimmung im Bundesrat verhindern oder für eine offene Linie im Beschluss kämpfen müssen. Weder das Eine noch das Andere getan zu haben war ein Fehler. Jedoch nicht, weil der Kompromiss des Asylpakets an sich falsch war. Er war viel mehr ein schwieriger Abwägungsprozess einer in Verantwortung stehenden Partei, bei dem man mit guten Argumenten beide Positionen vertreten konnte.
Ausgehend von diesem Missachten unserer Rolle als Partei, griffen einige den Kompromiss auf eine Art und Weise an, die den Zustimmenden Verrat an unseren Werten unterstellte. Doch sind Kompromisse kein Verrat, sondern das Wesen unseres demokratischen Systems. Wenn wir ausschließlich unsere eigene reine Lehre als „gut“ und alles andere als „böse“ darstellen, dann begehen wir einen noch größeren Fehler – den Fehler, der neun von zehn Menschen von uns abschreckt. Weil wir es uns so selbst zu einfach machen.
Zuerst als einfaches Mitglied, dann als Sprecher meines Kreisverbandes und nun als Fraktionsvorsitzender habe ich unsere Stärken ebenso gesehen wie unsere Schwächen. Wir stecken viel zu viel Zeit, Geld und Energie in Veranstaltungskonzepte, die nicht (mehr) funktionieren. Wenn grüne Stadträte mit grünen Abgeordneten über grüne Themen sprechen, dann kommen uns sowieso schon unterstützende Menschen. Es braucht andere Konzepte: die direkte Auseinandersetzung mit unseren politischen Mitbewerbern zum Beispiel. Es fehlt bei uns auch an der professionellen Entwicklung von Personal, um unsere Mitglieder wirklich auf Positionen wie Räte und Beigeordnete vorzubereiten, umfangreiche Handreichungen für Vorstände und die Entlastung unserer Ehrenamtlichen. Von Letzteren erwarten wir, dass sie Wahlkämpfe bewältigen, Mitgliederversammlungen organisieren sowie neue Mitglieder werben – neben ihrem Familienleben und der Arbeit. Um unsere Kreisvorstände von organisatorischen Arbeiten zu entlasten und unsere Strukturen zu professionalisieren, möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir ein Modell für regionale Geschäftsführungen entwickeln.
Ich trat als Idealist ein, um die Welt gerechter und Politik enkeltauglich zu machen – und wurde als Kommunalpolitiker Pragmatiker. Um der Ungleichzeitigkeit unserer Welt zu begegnen, müssen wir uns verändern. Wir müssen unseren Idealismus mit dem Pragmatismus einer verantwortlich handelnden Partei in Einklang bringen. Ich trete an für einen anderen Diskursstil, dem Halten unseres inhaltlichen Kurses, eine starke, eigenständige Grüne Partei, organisatorische Veränderungen – und einen anderen Sound. Weil nicht alles so bleiben kann, wie es ist, damit es besser werden kann.
Für all das und trotz all dem, bitte ich um euer Vertrauen.
Biografische Daten (Auswahl)
Geboren in Speyer 1989, aufgewachsen in Haßloch, nach der Grundschule Besuch der Regionalschule in Böhl-Iggelheim mit Mittlerer Reife, Abitur in Haßloch 2009, Studium der Philosophie und Bildungswissenschaften an der Universität Koblenz-Landau bis 2014, seit 2015 Promotionsprojekt in Philosophie bei Francesca Vidal mit dem Titel „Konkret Handeln mit Hoffnung. Das Politische Ernst Blochs“, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Koblenz-Landau am Institut für Erziehungswissenschaften, verheiratet seit 2013
Politisiert durch die Krisen ab 2008, Mitgliedsantrag abgeschickt 2009 (Mitglied seit 2010 – auch so ein Problem bei uns), seit 2011 bis 2014 Sprecher des Kreisverbandes Landau, Gründer Campus Grün Landau und mehrere Jahre im Studierendenparlament, seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion Landau (Opposition), 2015 Oberbürgermeisterkandidat Landau (11,0%; dritter Platz von fünf), Mitglied der LAG Bildung, LAG Europa (seit dem Fraktionsvorsitz nicht aktiv)
- Kontakt:
- hartmann.lukas-landau@t-online.de ; 0151 67 60 29 30 ; 06341 649 651 ; http://facebook.com/lukas.hartmann.gruen