"sozialer" beschreibt besser als "besser" worum es uns geht
Antrag: | Für eine offene und solidarische Gesellschaft – gegen den Hass |
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Antragsteller*in: | Carsten Jansing (KV Rhein-Lahn) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 23.11.2016, 14:37 |
Antrag: | Für eine offene und solidarische Gesellschaft – gegen den Hass |
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Antragsteller*in: | Carsten Jansing (KV Rhein-Lahn) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 23.11.2016, 14:37 |
Bürgern darzustellen und zu zeigen, dass wir damit ein gerechteres, ein ökologischeres und besseressozialeres Land schaffen können.
Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten werden immer lauter, in Europa und den
USA zeichnet sich ein rasanter politischer Wandel ab. Weg von den
Errungenschaften der Aufklärung, der Freiheit, Gleichberechtigung und
Demokratie. Mit Nationalismus, Rassismus, Populismus statt Fakten haben
diejenigen Konjunktur, die mit Hass, Vorurteil und Gewalt emotionale
Stimmungsmache betreiben. Ein Jahr vor der Bundestagswahl muss das mehr als ein
Weckruf für uns sein: Es ist ein Fanal der Bedrohung für die Gesellschaft, in
der wir leben. Wir werden uns entschieden und mit aller Kraft gegen das wehren,
was in den USA, Europa, Deutschland und Rheinland-Pfalz aufzieht. Es gilt für
uns GRÜNE, für die demokratischen Parteien in Deutschland, ebenso wie für die
vielen aufgeklärten und liberalen Menschen in unserer Gesellschaft: Wir werden
die Errungenschaften unserer offenen und solidarischen Gesellschaft verteidigen!
Die Populistinnen und Populisten bauen ihren Erfolg auf Ängste und Vorbehalte
gegenüber aktuellen politischen Herausforderungen auf. Aber es gibt auch
fundamentale Ablehnung von Politikerinnen und Politikern, Medienvertreterinnen
und -vertretern, von Regierungen und vielen anderen staatlichen und
gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren. Angst ist aber der perfekte
Nährboden für deren rechtspolitisches und letztendlich rechtsextremes Saatgut.
Die AfD hat sich diese Entwicklung zu Nutze gemacht. Sie schwimmt auf einer
Welle von Vorurteilen, Emotionen, Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Pseudo-
Fakten. Sie hetzt gegen Minderheiten, das angeblich korrupte System, die so
diffamierte ‚Lügenpresse‘ und das ‚linksgrünversiffte‘ Establishment. Damit hat
sie es geschafft, in zehn Landtage einzuziehen und sich dort teilweise als
drittstärkste Fraktion zu etablieren.
In Rheinland-Pfalz leben hunderttausende Menschen aus unterschiedlichsten
Ländern schon lange friedlich und glücklich zusammen. Wir dürfen aber die Augen
nicht davor verschließen, dass die AfD mit ihren Parolen auch bei uns verfängt.
Sie sorgt für den Nährboden, auf dem rechte Gewalttaten keimen. Bundesweit, aber
auch in Rheinland-Pfalz, haben im letzten Jahr die Zahlen rechter Straftaten
enorm zugenommen. Es ist alarmierend, dass die Zahl der von Rechtsextremen
verübten Straftaten in Rheinland-Pfalz von 2014 auf 2015 um 180 auf 701 stark
gestiegen ist. Dass Menschen, deren Aussehen eine andere Herkunft vermuten
lassen könnte, inzwischen wieder in Deutschland Angst haben müssen vor rechten
Gewalttaten, ist für uns alle beschämend.
Auch hier in Rheinland-Pfalz hat sich das bei der vergangenen Landtagswahl
gezeigt. 268.628 Wählerinnen und Wähler haben der AfD ihre Zweitstimme gegeben.
Sie ist nun drittstärkste Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag. Ihre Arbeit
im Landtag zeigt jedoch: Dieser Partei ist es überhaupt nicht daran gelegen,
einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Auch Fakten interessieren sie nicht. Sie
konzentriert sich allein auf das Schüren von Ängsten und Ressentiments. Die AfD
erzeugt negative Stimmungen und Gefühle in dem sie Minderheiten angreift. Sie
unterstellt pauschal Flüchtlinge kriminelle Absichten, sie will alle Kinder zum
morgendlichen Fahnenappell antreten lassen und hält Kindertagesstätten für
Indoktrinationsanstalten für Kinder. Sie will den verhassten öffentlich-
rechtlichen Rundfunk und die Medienvielfalt abschaffen, eine Gebärquote für
Frauen in das Grundgesetz schreiben oder Homosexualität wieder verpönen. Viele
der Forderungen aus den Reihen der AfD sind mit unseren Grundwerten und auch mit
unserem Grundgesetz nur schwer oder gar nicht vereinbar. Gleichzeitig
überschreitet die AfD in ihren Verlautbarungen regelmäßig die Grenzen des
demokratischen Diskursverhaltens und betreibt eine Verrohung der Sprache.
Einwanderungspolitik ist aber längst nicht das einzige Thema für
Rechtspopulistinnen und -populisten. Die AfD will die Lebensverhältnisse jedes
und jeder einzelnen reglementieren und die freie Entfaltung des Individuums
beschneiden. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wurde hier in Partei
gegossen. Für sie spielt es eine Rolle, woher Du kommst, welche Religion, welche
Hautfarbe, welche sexuelle Orientierung oder Identität Du hast und ob Du eine
Frau oder ein Mann bist. Allein aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
gesellschaftlichen Gruppe begründet die AfD eine ungleichwertige Behandlung
durch politische Rahmensetzungen. Diese Ideologie der Ungleichwertigkeit von
Menschen und das Ausspielen gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander bedroht
unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Aber noch etwas macht uns Sorge: Die AfD hat es weitgehend geschafft sich von
der bisher üblichen Mediennutzung der Menschen unabhängig zu machen. Sie ist
nicht angewiesen auf Sendezeit im Fernsehen, im Rundfunk oder Bilder in der
Zeitung. Sie nutzt zielgenau soziale Medien und rechte Netzwerke vor Ort um ihre
Hassparolen zu den Menschen zu bringen. Sie geht sogar noch weiter: Niemand
anderes geht so radikal gegen Presse und Journalistinnen und Journalisten vor.
Die AfD will so genannte ‚Systemmedien und Lügenpresse‘ einschüchtern, ihre
Legitimation untergraben, die Glaubwürdigkeit von einzelnen Medien oder
Journalistinnen und Journalisten herabsetzen. Ungezügelte Hetze in sozialen
Medien, neue rechte Akteure wie der Compact-Verlag oder das vom Kreml
finanzierte Russia Today Deutschland verbreiten dies in einer Deutlichkeit und
Reichweite, wie wir das aus dem vergangenen US-Präsidentenwahlkampf aus den USA
gelernt haben. Ihr Ziel ist eine gleichgeschaltete Medienlandschaft, die einer
Ideologie folgend Meinungsmache betreibt. Das heißt: Die AfD verfolgt kein
anderes Ziel als die Abschaffung der Pressefreiheit in Deutschland.
Der Umgang mit der AfD stellt nicht nur für uns GRÜNE und alle demokratische
Parteien, sondern auch für die Medien eine besondere Herausforderung dar. Es
gilt, sich mit ihr gezielt auseinanderzusetzen, ohne ihnen jedoch eine Plattform
für plumpe Hetze und Propaganda zu bieten. Dabei müssen wir uns alle immer
wieder bewusst machen: Die AfD ist keine übliche demokratische Partei. Sie nutzt
gezielt rechte und populistische Argumentationen, die tiefgreifend offen gelegt
werden müssen. Wir brauchen in der Politik und in den Medien eine
Auseinandersetzung über die inhaltlichen Ziele der AfD und deren Folgen für
unsere Gesellschaft.
Wir müssen damit umgehen und daraus lernen, dass die Rechtspopulistinnen und -
populisten von allen Gesellschafts- und Bildungsschichten gewählt werden können.
Es wäre falsch, alle ihre Wählerinnen und Wählern unter einen rechten
Generalverdacht zu stellen. Jedem, der bei den vergangenen Wahlen Parteien wie
der AfD seine oder ihre Stimme gab, muss aber bewusst sein: Er oder sie hat eine
Partei gewählt, die unser demokratisches System und unsere freiheitlichen
Grundwerte angreift und in ihren Grundfesten verändern will.
Letztlich geht die Entstehung der AfD auch auf den Unmut vieler mit den Parteien
zurück. Selbstkritisch müssen sich alle die Frage stellen, wer etwas dazu
beigetragen hat, dass die AfD bei Wahlen so erfolgreich sein kann. Politik
verfällt oft ins Dozieren, wo eigentlich Argumente entlang menschlicher
Erfahrungen und Empathie gefragt wären. Politikerinnen und Politiker verweisen
gerne auf das Grundgesetz, aber erklären nicht, warum etwas richtig oder falsch
ist. Mit unseren GRÜNEN Inhalten sind wir die zentrale Zielscheibe dieser neuen
Rechten. Wenn wir ernsthaft über Sorgen und Nöte mit Menschen sprechen möchten,
wenn wir die Spaltung der Gesellschaft nicht unbewusst noch vertiefen wollen,
dann müssen wir, aber auch alle anderen demokratischen Parteien sich
hinterfragen. Denn ernsthaft über Sorgen und Nöte sprechen heißt, die Menschen
auch ernst zu nehmen. Ernstnehmen bedeutet aber nicht rechte Ressentiments zu
akzeptieren, sondern auf die Probleme zu reagieren. Das muss uns besser gelingen
als es in der Vergangenheit der Fall war. Alle demokratischen Parteien müssen
überlegen, wie sie ihre Haltung gegenüber allen Menschen besser, positiver und
optimistischer zum Ausdruck bringen können
Aber wir dürfen jetzt nicht darin verharren, uns nur selbst zu hinterfragen. Wir
müssen schnellstmöglich vereinbaren, wie wir mit den Menschen in den Dialog
treten. Und es dann auch konsequent tun.
Wenn wir für Vertrauen in unsere Demokratie werben wollen, müssen wir dies dort
tun, wo die Gesellschaft zusammen kommt. Dann dürfen wir nicht in unseren
eigenen Strukturen verhaftet bleiben. Wir GRÜNE wollen uns dort stärker
einbringen, wo die Menschen sind.
Auch unser Wahlkampf wird sich auf die neuen politischen Entwicklungen
einstellen müssen. Im Bundestagswahlkampf 2017 werden wir Grüne zeigen, dass wir
bereit sind für die offene und solidarische Gesellschaft zu kämpfen und mit
unseren Argumenten zu überzeugen. Aber ebenso sind wir bereit, uns auf andere
Perspektiven einzulassen.
Es ist aber nicht nur eine Frage des Umgangs miteinander, wir müssen auch am
gesunkenen Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Politik arbeiten. Die
soziale Ungleichheit in Deutschland wird immer größer, der Klimawandel schreitet
ungebremst fort und der demografische Wandel stellt uns vor riesige
Herausforderungen auf unterschiedlichsten Politikgebieten. Aber immer mehr
Menschen trauen es keiner Partei mehr zu, diese Probleme auch lösen zu können.
Auch das ist ein Nährboden für Parteien und Politikerinnen und Politiker, die
mit scheinbar einfachen Lösungen den Menschen vorgaukeln etwas bewegen zu
können. Es ist unsere Aufgabe diese komplexen Herausforderungen anzunehmen und
neben einer optimistischen Haltung auch verständliche politische Projekte zu
entwickeln die zeigen, wie wir Rheinland-Pfalz und Deutschland in Zukunft
gestalten wollen. Die Menschen müssen sich hinter unseren Ideen versammeln
können, weil sie uns vertrauen, dass wir die Probleme im Griff haben.
Wir wollen in unserem Land mehr Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche
erreichen. Wie wir das in den KiTas, Schulen oder Universitäten erreichen
wollen, das wollen wir besser darstellen. Wir wollen eine gerechtere
Vermögensverteilung und einen leistungsfähigen Staat erreichen. Mit welchen
Methoden wir das erreichen, müssen wir viel besser erklären als bisher. Wir
wollen Deutschland wieder zum Vorreiter im Klimaschutz machen. Warum und wie wir
das schaffen, welchen Beitrag wer dazu leisten soll, das ist unsere
Herausforderung zu erklären. Das zeigt, es geht nicht darum GRÜNE Positionen
aufzugeben - im Gegenteil. Wir sind überzeugt, unsere Ideen und Visionen sind
genau heute gefragt, um die Probleme von morgen zu lösen. Aber wir müssen –
gemeinsam mit allen anderen demokratischen Parteien – besser darin werden
Positionen zuzuspitzen, lebenswirklich und auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und
Bürgern darzustellen und zu zeigen, dass wir damit ein gerechteres, ein
ökologischeres und besseressozialeres Land schaffen können.
Wir wollen aber differenzieren: Den Bürgerinnen und Bürgern wollen wir ein
überzeugendes Angebot machen, wie wir gemeinsam die Zukunft von Rheinland-Pfalz
gestalten möchten. Das gilt aber nicht für den harten Kern der Rassistinnen und
Rassisten, deren erklärtes Ziel der Umsturz unserer gesellschaftlichen Ordnung
ist, die Unterdrückung und Ausgrenzung von Minderheiten als Ziel ausgegeben
haben. Gegen solche Menschen werden wir uns heute und morgen, zu jeder Tageszeit
mit aller Kraft entgegenstellen. Kein Fußbreit den Rassisten in unserer
Gesellschaft! Das ist unsere Grundüberzeugung, hinter der wir uns alle, GRÜNE,
aber auch Verbände, Gewerkschaften, Kirchen und Vereine versammeln. Um diesen
Menschen zu begegnen, brauchen wir auch eine umfangreiche gesellschaftliche
Prävention. Mit dem Netzwerk für Demokratie und Courage, Bildungsprojekten gegen
Rechts und Konzepten gegen Radikalisierung stärken wir den
zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Rassismus und Unterdrückung. Wir werden
die AussteigerInnenprogramme für Rechtsextreme weiter unterstützen, die
Sozialarbeit in den Kommunen und an den Schulen stärken und die kulturelle
Öffnung in allen Bereichen der Gesellschaft vorantreiben.
Wir GRÜNE wollen eine offene und solidarische Gesellschaft. Wir setzen uns für
eine Gesellschaft ein, die auf die Freiheit des Individuums setzt und auf
Solidarität für diejenigen, die Unterstützung bedürfen. Es waren die neuen
sozialen Bewegungen und die GRÜNEN, die für viele Freiheiten erfolgreich
gestritten haben und auch weiter streiten werden: Gleichberechtigung von Frauen
und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Selbstbestimmung für Menschen
mit Behinderung, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, gleiche
Rechte und Akzeptanz für sexuelle Vielfalt, Eintreten für gesellschaftliche
Minderheiten.
Die Aufgabe, die Spaltung der Gesellschaft wieder zu überwinden und das weitere
Durchdringen der Rechtspopulistinnen und -populisten zu stoppen, ist eine
größere Aufgabe als der Gewinn der kommenden Bundestagswahl. Aus den USA wissen
wir aber, welches Desaster ein Hasswahlkampf wie der von Trump in einer
Gesellschaft anrichten kann. Daher werden wir uns mit aller Kraft dafür
einsetzen, dem Hass und der Ausgrenzung Mut und Haltung entgegenzusetzen. Wir
wollen diejenigen sein, die sich schützend vor Menschen stellen, die Angst vor
Übergriffen oder Ausgrenzung haben. Für diese Werte werden wir im anstehenden
Bundestagswahlkampf auf die Straße gehen. Wir scheuen nicht die
Auseinandersetzung mit den Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten, aber wir
werden sie auf Grundlage unserer eigenen Werte führen. Denn letztlich geht es um
ein einziges großes Ziel: Um den Fortbestand unserer offenen lebendigen
Demokratie und freiheitlichen Werteordnung.
"sozialer" beschreibt besser als "besser" worum es uns geht
Kommentare
Klaus Ernst Paul Puchstein:
müssen wir an dieser Stelle nicht die Grundsätze der Grünen Gründungssatzung komplett reinschreiben?
ökologischeres, basisdemokratischeres, sozialeres und gewaltfreieres Land schaffen können.
Gruß Klaus