Veranstaltung: | LDV in Idar-Oberstein |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 11. Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Anne Spiegel (KV Speyer), Daniel Köbler (KV Mainz), Pia Schellhammer (KV Mainz-Bingen), Andreas Hartenfels (KV Kusel), Eva Pestemer (KV Vulkaneifel), Jutta Blatzheim-Roegler (KV Bernkastel-Wittlich), Eveline Lemke (KV Ahrweiler), Felix Schmidt (KV Zweibrücken), Nicole Besic-Molzberger (KV Koblenz), Sven Dücker (KV Trier), Misbah Khan (KV Bad Dürkheim), Tobias Lindner (KV Germersheim), Irene Alt (KV Mainz-Bingen) Gunther Heinisch (KV Mainz), Elias Weinacht (KV Rhein-Pfalz), Sylvia Köbler-Gross (KV Mainz), Lisett Stuppy (KV Donnersberg), Karl-Wilhelm Koch (KV Vulkaneifel), Ann Kristin Pfeifer (KV Mainz), Paul Bunjes (KV Kaiserslautern-Stadt), Jonas-Luca König (KV Neustadt a.d.W.), Stefan Thome (KV Kaiserslautern-Stadt), Carsten Jansing (KV Rhein-Lahn) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.12.2016, 17:11 |
D-3: Afghanistan – kein sicheres Land für Flüchtlinge
Antragstext
Die Zahl der getöteten oder verletzten Zivilist*innen in Afghanistan hat im
ersten Halbjahr 2016 mit vier Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum einen neuen
Höchststand erreicht. Von Januar bis Juni hat es nach Angaben der UN-Mission in
Afghanistan (Unama) insgesamt 1601 getötete und 3565 verletzten Zivilist*innen
gegeben. Nach einem Quartalsbericht des Special Inspector General for
Afghanistan Reconstruction (SIGAR) der US-Regierung für den US-Kongress sind im
Krieg in Afghanistan allein von Januar bis zum 28. August 2016 insgesamt 5.523
afghanische Soldaten getötet und 9.665 Soldaten verwundet worden. Zudem
kontrolliert der Staat nur 258 von 407 Bezirken. 33 Bezirke stehen unter
aufständischer Kontrolle oder Einfluss und 116 Bezirke sind umkämpft.
Hinzukommen regelmäßige Terroranschläge mit Toten und Verletzten, wie zuletzt
auf das deutsche Generalkonsulat.
Dies ist nicht nur eine Verschlechterung der Opferzahlen gegenüber den
Vorjahren, sondern es ist auch festzustellen, dass sich die Gewalt von
Anschlägen hin zu konkreten Kampfhandlungen deutlich verlagert hat. Eine
Verbesserung der Situation hat sich bis heute nicht eingestellt. Im Gegenteil:
Das von den Taliban kontrollierte Gebiet hat sich in den letzten Jahren
vergrößert.
In Deutschland leben ca. 250.000 afghanische Staatsbürger*innen. Davon wurden im
letzten Jahr 27 Asylbewerber*innen abgeschoben. Die zwangsweise Rückführung
wurde bisher nur in Einzelfällen durchgeführt, hierbei handelt es sich vor allem
um straffällig gewordene Menschen. Nun strebt Bundesinnenminister Thomas de
Maiziere (CDU) an, ca. 12.000 Afghan*innen in das Bürgerkriegsland abzuschieben.
Der baden-württembergische Innenminister Strobl (CDU) fordert gar eine generelle
Abschiebung nach Afghanistan.
Während der Bundesinnenminister die Sicherheitslage in Afghanistan für
ausreichend hält, um dorthin abzuschieben, wird diese Einschätzung nach
Presseberichten nicht einmal von der Arbeitsebene des nachgeordneten Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge geteilt. Die Bundesregierung widerspricht sich
selbst, was die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan angeht. Das
Außenministerium spricht von einer nicht kalkulierbaren Lage außerhalb von
Kabul, vor Reisen nach Afghanistan wird „dringend gewarnt“.
Eine Rückführung in Kriegsregionen, wie sie De Maiziére vorschlägt, ist nicht
„behutsam“, sondern absolut inhuman. Er setzt hier Leben von Menschen einem
Risiko aus, das niemand abschätzen kann. Dies ist absolut unverantwortlich und
verstößt gegen die Menschenrechte und die Grundsätze unserer Verfassung. Die
Abgeschobenen würden in Afghanistan dem Risiko der Verfolgung und weiteren
Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt.
Wir unterstützen, dass die Aussetzung der Abschiebung afghanischer
Staatsangehöriger in Rheinland-Pfalz in besonders rechtstaatlicher und humaner
Weise umgesetzt wird. Wir werden uns auch weiterhin gemeinsam dafür einsetzen,
dass die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes und die Feststellung
von Abschiebeverboten für Flüchtlinge aus Afghanistan beachtet und nicht
missachtet werden. Wir fordern vor dem Hintergrund der unübersichtlichen
politischen Lage in Afghanistan das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf,
den Status von Asylbewerber*innen besonders sorgfältig zu prüfen, auch bezüglich
geschlechtsspezifischer Verfolgung, und den Flüchtlingen aus Afghanistan den
entsprechenden Schutzstatus anzuerkennen.
Abschiebungen sind in einem Rechtsstaat nur als äußerstes Mittel zulässig. Sie
sind inhuman und teuer. In Rheinland-Pfalz setzen wir deshalb auf die Beratung
zur freiwilligen Rückkehr und sind damit sehr erfolgreich: Neun von zehn
vollziehbar Ausreisepflichtigen verlassen das Land ohne die Tortur einer
Abschiebung. Dies zeigt deutlich: Wir brauchen in Deutschland eine humane
Flüchtlings-, Zuwanderungs- und Integrationspolitik und keine schärfere
Abschiebepraxis.
Begründung
Begründung der Dringlichkeit: Nachdem es bislang länderübergreifender Konsens war, von Abschiebungen nach Afghanistan in der Regel abzusehen, ist diesbezüglich in den vergangenen Wochen in zweierlei Hinsicht eine höchst widersprüchliche Entwicklung in Gang gekommen: Einerseits haben die neuesten Ereignisse in Afghanistan sowie aktuelle Einschätzungen zur Sicherheitslage drastisch vor Augen geführt, dass die Situation im Land eine erweitere Abschiebepraxis nicht zulässt. Andererseits mehren sich die Forderungen und Vorstöße, groß dimensionierte Abschiebungen nach Afghanistan aufzunehmen. Dies macht eine klare politische Positionierung unseres grünen Landesverbands erforderlich.
Am 27. 11.2006 erschien die Forderung des baden-württembergischen Innenministers Strobl (CDU) nach einer generellen Abschiebung – auch kranker – Flüchtlinge nach Afghanistan. Am 30. 11.2016 forderte Bundesinnenminister de Maiziere zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Saarbrücken eine „nationale Kraftanstrengung für eine bessere Rückführung“ und strebt groß angelegte Abschiebungen nach Afghanistan an. Diese Forderungen und Absichtsbekundungen schlagen sich auch in den Beschlüssen des CDU-Bundesparteitags vom 6./7. Dezember 2016 nieder, in denen die Initiativen des Bundesinnenministers für eine Verschärfung der Abschiebepraxis und ihrer rechtlichen Grundlagen begrüßt werden.
Nicht zuletzt der Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat am 10.11.2016 im zuvor als vergleichsweise sicher geltenden Masar-e Scharif hat gezeigt, dass die Annahme sicherer Gebiete in Afghanistan, die eine Abschiebung erlauben würden, nicht zutrifft. Bei dem Anschlag wurden sechs Menschen getötet und mindestens 128 Personen verletzt, darunter 19 Frauen und 38 Kinder.
Alle genannten Ereignisse datieren nach Antragsschluss. Vor diesem Hintergrund ist eine Positionierung des grünen Landesverbands dringlich.
Begründung: erfolgt mündlich.
Kommentare